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Was ist die Abgeltungssteuer?

Nahezu jeder Beschäftigte zahlt sie regelmäßig: die Abgeltungssteuer. Größere Bekanntheit erlangte sie gerade für Anleger seit dem 1. Januar 2009, denn seitdem unterliegt ihr auch ein Großteil der Kapitalerträge.

Was ist eine Abgeltungssteuer konkret?

Unter einer Abgeltungssteuer versteht man im Allgemeinen eine Steuer, die an der Einkommensquelle erhoben wird und deshalb eine sogenannte Quellensteuer darstellt. Im Gegensatz zu Einnahmen aus Vermietung, auf die der Steuerpflichtige ggf. erst im Rahmen seiner Steuererklärung Abgaben entrichtet, werden Quellensteuern direkt an das Finanzamt abgeführt. So handelt es sich bei den Lohnsteuerabzügen um Steuern, die der Arbeitgeber (die Quelle) direkt an das Finanzamt zahlt. Ähnlich verhält es sich bei den Steuern auf Kapitalerträge wie beispielsweise Dividenden und Zinsen: Fallen Kapitaleinkünfte an, zieht die Bank (die Quelle) die fälligen Kapitalertragsteuern (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuern) unmittelbar von den Einkünften ab und überweist sie an das Finanzamt. Diese Kapitalerträge muss der Anleger im Gegenzug nicht mehr in seiner Steuererklärung angeben, weil die Steuerschuld bereits an der Quelle „abgegolten“ wurde – daher der Name Abgeltungssteuer.

Wie hoch ist die Abgeltungssteuer?

Auf Kapitalerträge gilt in Deutschland ein einheitlicher Steuersatz von 25%, auf den zusätzlich der Solidaritätszuschlag von 5,5% erhoben wird. Ist der Anleger Mitglied einer Religionsgemeinschaft, fallen darüber hinaus je nach Bundesland 8% oder 9% Kirchensteuer an. Insgesamt liegt der Satz der Abgeltungssteuer damit zwischen 26,38% und 27,99%. Einbehalten wird sie von der Bank allerdings nur für Kapitalerträge, die über dem Sparerfreibetrag von 801 EUR für Singles, bzw. 1.602 EUR für Ehepaare bei gemeinsamer Veranlagung

Abgeltungssteuer

Wer zahlt wie viel?

liegen. Dafür muss bei der Bank jedoch ein entsprechender Freistellungsauftrag erteilt werden.

Warum wurde die Abgeltungssteuer eingeführt?

Vor dem 1. Januar 2009 führten Banken zwar schon Steuern wie z.B. die Zinsabschlagsteuer an die Finanzämter ab. Diese wiesen allerdings lediglich den Charakter einer Vorauszahlung auf. Anleger mussten deshalb ihre gesamten Kapitaleinkünfte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung separat erklären. Dieses Einkommen unterlag dann ebenso wie das Gehalt dem persönlichen Steuersatz, das heißt in der Spitze 45%.

Im Gegensatz zum Faktor Arbeit (Arbeitnehmer wechseln verhältnismäßig selten für eine neue Stelle ins Ausland) ist der Faktor Kapital äußerst mobil. Gerade Anleger mit hohen Einkünften und damit hohen Steuersätzen hatten Anreize und oft auch die Möglichkeit, ihr Kapital im Ausland anzulegen. Meist wurden zwar dort Quellensteuern auf Kapitalerträge erhoben, jedoch lagen diese tendenziell unter dem deutschen Spitzensteuersatz. In der Praxis verschwiegen Anleger diese Einkünfte oft gegenüber dem Finanzamt. Damit machten sie sich zwar strafbar, gingen jedoch lediglich ein relativ geringes Risiko ein, da die Staaten bis dato kaum Steuerdaten austauschten.

Dem begegnete der damalige Finanzminister Peer Steinbrück mit der Einführung der Abgeltungssteuer. Niedrigere und international wettbewerbsfähigere Kapitalertragsteuern von 25% statt bis zu 45% sollten Kapital zurück nach Deutschland locken. Die Einnahmeausfälle durch die geringere Steuer, so hoffte Steinbrück, würden durch neue Einnahmen auf bisher unversteuertes Kapital aufgewogen.

Was hat sich seit der Einführung verändert?

Zunächst ist die Einkommensteuererklärung für Anleger teilweise vereinfacht worden. Werden die Sparerfreibeträge durch Erteilung eines Freistellungsauftrags vollständig ausgeschöpft, ersparen sich Anleger nun das Ausfüllen der Anlage KAP. Das liegt daran, dass neben der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge auch die bisherigen Werbungskosten (z.B. Depotgebühren) über den Sparerfreibetrag bereits abgegolten sind. Eine Auflistung von Erträgen und Aufwendungen bleibt den meisten Steuerpflichtigen also erspart.

Abgeltungssteuer

Was machen Kleinanleger?

Bei der effektiven Steuerbelastung kann ganz grob zwischen weniger vermögenden und vermögenden Anlegern unterschieden werden. Für die Erstgenannten liegt der Satz meist über dem persönlichen Steuersatz, sodass die Kapitalertragsteuern für diese Anleger theoretisch sogar gestiegen sind. Um eine Mehrbelastung zu vermeiden, können Kleinanleger jedoch weiterhin die Anlage KAP ausfüllen und eine Günstigerprüfung beantragen. Liegt der persönliche Steuersatz tatsächlich niedriger, werden die Kapitalerträge stattdessen mit diesem geringeren Satz versteuert und die Anleger erhalten eine Erstattung. Lesen Sie hier alles zur Günstigerprüfung.

Für vermögende Personen, die ihre Kapitaleinkünfte auch schon vor 2009 ordnungsgemäß in Deutschland versteuert haben, ist die Steuerbelastung hingegen deutlich gesunken. Statt bis zu 45% fallen nunmehr lediglich maximal 27,99% Abgeltungssteuer auf die Kapitalerträge an. Davon profitieren in besonderem Maße all jene, die neben ihrem Arbeitseinkommen vor allem Erträge aus Zinsen, Dividenden und Aktienveräußerungen erzielen.

Bleibt es bei der Abgeltungssteuer?

Ob man Kapitalerträge auch in Zukunft mit der Abgeltungssteuer belegt, ist ungewiss. Einerseits erfüllte sich Finanzminister Steinbrücks Hoffnung, die Steuersenkung finanziere sich von selbst, nicht. Von 13,6 Mrd. Euro im Jahr 2008 sank das Aufkommen fast kontinuierlich auf nur noch 6,7 Mrd. Euro im Jahr 2020 (Quelle: bundesfinanzministerium.de). Gleichzeitig hat sich der Austausch von Steuerdaten zwischen der Bundesrepublik und Drittstaaten spürbar intensiviert und erschwert die Kapitalflucht ins Ausland. Die Hauptursache für die Einführung der Steuer im Jahr 2009 verflüchtigt sich damit sukzessive.

Im politischen Berlin sprechen sich daher Politiker von SPD und Grünen einmütig für die Rückkehr zum Steuersystem vor 2009 aus. Auch in der Union gibt es vereinzelt, so beim ehemaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble, Sympathie für diesen Vorstoß. Aufgrund der auch für ausländische Anleger attraktiven Steuersätze und

Abgeltungssteuer

Was will die Politik?

der einfachen Erhebung plädiert hingegen vor allem die FDP für die Beibehaltung der Abgeltungssteuer.

Der Koalitionsvertrag der amtierenden schwarz-roten Bundesregierung sieht grundsätzlich bis zum Ablauf der Legislaturperiode eine Überprüfung der Abgeltungssteuer vor.

Fazit

Obwohl der Tatbestand der Abgeltungssteuer auf eine Reihe von Steuergattungen zutrifft, assoziiert man sie in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem mit der Kapitalertragsteuer. Als Quellensteuer vereinfacht die Abgeltungssteuer die Steuererhebung, entfaltet jedoch je nach individueller Einkommenssituation unterschiedliche Wirkung auf die Steuerbelastung. Weil das Steueraufkommen seit ihrer Einführung kontinuierlich gesunken ist und Steuerflucht als Ursache ihrer Einführung entfällt, fordern Politiker vermehrt die Abschaffung der Abgeltungssteuer und die Rückkehr zum vorherigen Steuersystem.