Was sind Preisgleitklauseln?

Unter Preisgleitklauseln versteht man Bestandteile eines Kauf- oder Dienstleistungsvertrages, mit denen die Preisfestsetzung als „gleitend“, als veränderbar beschrieben wird. Die Preisfestsetzung kann dabei entweder auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung verschoben oder im Verlauf des Vertragsverhältnisses abgeändert werden. Damit wird der Auftraggeber an den Preisentwicklungen, die sich in der Zeit zwischen Auftragserteilung und Auftragsausführung ergeben, beteiligt. Der Auftragnehmer trägt somit nicht das alleinige Risiko seines angebotenen Preises.

Preisgleitklauseln sind besonders in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit oder stark schwankender Rohstoff- oder Nebenkostenpreise sinnvoll, um das unternehmerische Risiko überschaubar zu halten. Besonders in Branchen mit langen Lieferfristen kommt es oft zu erheblichen Veränderungen der Rohstoffpreise oder auch der Lohnkosten.

Preisgleitklauseln in der Geschichte

In Zeiten wirtschaftlicher Stabilität sind Preisgleitklauseln unüblich. Ihre Verwendung wird sogar untersagt, weil sie inflationsfördernd wirken können. Die Vereinbarung eines Festpreises (Einheits-, Pauschalpreis) für die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen galt lange Zeit als Standard beim Abschluss von entsprechenden Verträgen.

Die Rechtsprechung der Vergangenheit hat gezeigt, dass selbst erhebliche Preissteigerungen nicht dazu führten, dass der Auftragnehmer seinen angebotenen Preis nachträglich verändern durfte. Es war gängige Rechtsauffassung, dass ein

Preisgleitklauseln

Was ist das Resultat der Preissteigerungen?

Unternehmer für seine unternehmerische Tätigkeit geradezustehen hat. Die Einschätzung des Beschaffungsrisikos und des damit verbundenen Preisrisikos gehört zu seinem unternehmerischen Geschick. Die Fähigkeit zur Kalkulation und damit zur preislichen Auskömmlichkeit oder zur Erzielung von Gewinn liegt allein in seiner Verantwortung. Einen gewissen Schutz bieten Klauseln in Angeboten, mit denen eine gewisse Zeitspanne angegeben wird, in der der Auftragnehmer sich an den angegebenen Preis für die Ware oder die Dienstleistung bindet.

Preisgleitklauseln unter veränderten geopolitischen Bedingungen

Die beschriebene Praxis kann allerdings dazu führen, dass Unternehmen die Existenzgrundlage verlieren, wenn sich, bedingt durch sprunghafte Veränderungen der Materialpreise, die Kosten für das Unternehmen so entwickeln, dass es handlungsunfähig wird. Dies kann bis zur Insolvenz führen. Der Krieg im Osten Europas führt dazu, dass es etwa im Bereich der Rohstoffe (Stahl, Bitumen usw.) zu einer Verknappung infolge ausfallender Lieferungen aus den beteiligten Ländern kommt, die die Preise „durch die Decke“ gehen lässt.

Dazu kommen wirtschaftliche Sanktionen, die zu einer erheblichen Unsicherheit im Energiesektor führen und auch dort eine Preisunsicherheit auslösen. Beinahe täglich können sich, bedingt durch Fortgang und Folgen des Krieges, nicht vorhersehbare Preisänderungen ergeben. Ein seriös agierender Unternehmer kann sich nicht einmal mehr zwei Wochen an einen angebotenen Preis binden, ohne ein gefährliches Risiko eingehen zu müssen. Unter diesen Umständen ist es sachgemäß, wieder neu über Preisgleitklauseln nachzudenken. Sie geben Unternehmen die nötige Sicherheit, indem sie das Risiko der Preissteigerungen an den Auftraggeber abgeben.

Preisgleitklauseln bei Aufträgen der öffentlichen Hand

Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hat schon im März 2022 der öffentlichen Hand empfohlen, Preisgleitklauseln anzuwenden. Zunächst gilt dieser Erlass nur für den Bund als Auftraggeber. Länder und Kommunen sind aufgefordert, diesen Schritt ebenfalls zu gehen. Bisher haben sie allerdings nur vereinzelt davon Gebrauch gemacht. Der Erlass des Bundesministeriums ist bis zum 31.12.2022 befristet, es steht jedoch zu erwarten, dass er verlängert wird, falls im Rohstoff- und Energiesektor keine nachhaltige Entspannung eintreten sollte. Nur auf diese Weise kann verhindert werden, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen vor dem wirtschaftlichen Ruin stehen.

Im Einzelnen ist es seit dem 25. März für den Bund als Auftraggeber verpflichtend, einen Verweis auf die zum Bauzeitpunkt gültigen Materialpreise in die Verträge aufzunehmen. Die öffentliche Hand beteiligt sich damit an den hohen Preissteigerungen und stabilisiert auf diese Weise die Unternehmenslandschaft. Im Einzelfall ist es sogar möglich, bereits bestehende Verträge nachzuverhandeln. Unternehmer, deren Vertragspartner Länder, Kommunen oder Privatpersonen sind, können, wie nachfolgendes Praxisbeispiel zeigt, durch ein offenes Zugehen auf den Bauherrn durchaus Schaden von ihren Unternehmen abwenden.

Ein Beispiel aus der Praxis

Ein Bauunternehmer bekam im Januar 2023 den Zuschlag für den grundhaften Ausbau eines Teilstücks einer Kreisstraße.

Preisgleitklauseln

Welche Preise steigen warum?

In seinem Angebot hatte er Preise aufgerufen, die nach seinem damaligen Kenntnisstand auskömmlich und solide gerechnet waren. Diese Preise wurden in den Bauvertrag übernommen. Preisgleitklauseln waren nicht Bestandteil des Vertrages. Der Baubeginn allerdings verzögerte sich aufgrund von geforderten Nachbesserungen im Fördermittelantrag durch die Fördermittelstelle. In der Zwischenzeit explodierte der Preis für Bitumen aufgrund ausfallender Lieferungen aus Russland und der Ukraine. Andere Lieferanten waren sehr schwer zu finden und überstiegen im Einkauf durch den Bauunternehmer seine angebotenen Preise um fast 100 %. Ein beiderseitiges Festhalten am Bauvertrag hätte die Insolvenz des Bauunternehmers nach sich gezogen.

Communication is the key

In einem solchen Fall ist es immer geraten, das Gespräch mit dem Bauherrn zu suchen. Dies tat der Unternehmer und bat den Landkreis als seinen Vertragspartner um Anerkennung einer Zusatzvereinbarung zum Bauvertrag. Hätte der Landkreis die Zusatzvereinbarung nicht akzeptiert, wäre daraus dem Bauunternehmer ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Bauvertrages erwachsen. Denn in § 7 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A ist geregelt, dass Umstände und Ereignisse, die die Unternehmen nicht beeinflussen können, nicht zu einem existenzgefährdenden Wagnis für diese Unternehmen führen dürfen. Inhaltlich ähnlich formuliert es auch der § 313 Abs. 1 BGB. Der Ukraine-Krieg zählt in jedem Fall zu den Ereignissen, die durch den Unternehmer nicht zu beeinflussen gewesen sind. Lesen Sie hier alles zu Bauverträgen.

Der Landkreis akzeptierte in unserem Beispielfall die Zusatzvereinbarung. Freilich war diese vom Unternehmer gut vorbereitet. Er konnte über Rechnungen seiner Lieferanten die erbetene Preisanpassung gut begründen. Ein solches Vorgehen ist auf jeden Fall nötig. Es schafft Vertrauen und stellt eine gute Basis für eine weitere erfolgreiche Zusammenarbeit dar. Des Weiteren bediente sich der Bauunternehmer den Angeboten seines Fachverbandes, holte Beratung ein und nutzte die online verfügbaren Formulierungsvorlagen für Preisgleitklauseln.

Fazit

Das Beispiel zeigt, dass es – trotz erheblicher Schwierigkeiten, die es bei nachträglichen Preisanpassungen nach wie vor gibt – möglich ist, nachzuverhandeln. Bei neu abzuschließenden Verträgen sollten Preisgleitklauseln eine Selbstverständlichkeit sein. Es ist aus Gründen der Rechtssicherheit darauf zu achten, dass eine solche Klausel fester Bestandteil des Vertrages ist, mit dem Auftraggeber offen kommuniziert wird und nicht nur im „Kleingedruckten“, etwa in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, erscheint.

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